Mittwoch, 27. Juni 2007

Die Liebe ist dumm

und unlogisch, meistens ist sie aber nicht laut.
Im Rückblick war es gestern so, als würde man tatsächlich eine alte Liebe wieder treffen - heute habe ich einen leichten Tinnitus davon.
Ich war vielleicht nervös, auch dass 20 Jahre nicht spurlos an einem vorüber gehen, war mir klar. Der Pathos und die Balladen von Astbury / Duffy können dazu leicht in Kitsch abgleiten, so dass die Marke 10 der Peinlichkeitsskala (Feuerzeug in Händen hin und her schwenkend) spielend erreicht werden kann.

Der erste Eindruck war das zahlreich wartende Publikum. Etwa zu gleichen Teilen Metal- und Gothicfans. Gehobener Altersschnitt, dazu Normalos (wie mich) und ein unorthodoxer Haufen, die anscheinend vom Cottage runter in den 20. Bezirk gesegelt sind. U.a. zwei attraktiv wirkende Frauen (Schwestern ?) um die 35 im Partnerlook und in Begleitung (einer davon hatte ein mir bekanntes Gesicht, welches ich aber nicht zuordnen konnte).
Der zweite Eindruck war zunächst Warten und dann die Lautstärke, die auf uns losgelassen wurde. Metal Guru L., mit der ich dort war, schnorrte sich ein Taschentuch, von dem wir Stücke abreissten und uns in die Ohren stopften.
Von dem Gesang hörte man anfangs nicht viel, die Band brauchte auch ca. 15 Minuten, bis sie warm wurde, aber das Publikum war eindeutig auf ihrer Seite.

Eine von den beiden Schwestern, die rechts neben mir stand, brauchte zum Tanzen einigen Platz, so dass ihr linkes Bein und ihre (gepolsterte) Hüfte mich öfters berührten. War mir ja nicht unangenehm, aber irgendwann stellte sich die Frage, ob da irgendeine Absicht dahinter war.
Die Stimme Astburys war nicht wirklich im Vordergrund, auch hatte sie nicht mehr diese dunkle, erotische Kraft von früher. Diese Stimme war, meine ich, die Ursache, dass sie von Gothic-Fans so verehrt wurden. Den Gothic-Nimbus haben sie gestern aber vollkommen verloren. Kannte man Astbury mit langen Haar, schwarzen Leder und Pelzkappe, so wirkte er gestern ein bisschen wie eine gealterte Axel Rose-Kopie mit Stirnband (um Augen und die hohe Stirn zu verstecken ? ) und einem Jopperl mit Aufschrift CULT (damit wir es auch kapieren) vom Kik-Supermarkt.

Dann die Ballade Edie (ciao Baby) bei der es mir immer kalt über den Rücken läuft und bei der ich weiss, warum ich sie liebe.
Die Schwester tanzt immer noch mit wenig Körperabstand (was aber nicht zu verhindern war) neben mir, rechts von ihr ihr Begleiter , Metal Guru L. vor mir.
Als dann Rain angespielt wird, hüpft der halbe Saal - ich mittendrin - und der lieben Cottagefrau im weissen Segelpullover ist es dann wohl zuviel geworden. Sie verzog sich zu Ihrer Schwester, wo mehr Platz für sie war. Fronten - Grenzen - geklärt, na Bitte.
Allerdings hörte sich das Hüpfen bald auf, die Show verlor (für mich) an Kraft. Astbury agierte nicht unbedingt wie ein Performer und Duffy konnte das mit seinen Gitarrenposen auch nicht ausgleichen. Die anderen - inkl. Schwestern - waren trotzdem begeistert.

Irgendwann war die Show zu Ende und sie liessen sich für ihre einzige Zugabe - ihr Smashhit She sells Sanctuary - lange bitten. Obwohl sauber gespielt, konnte es mich nicht mehr mitreissen und der Eindruck, dass sie ihr Programm lieblos 08/15 runternudelten, gewann die Oberhand.
Es waren auch keine Unterschiede zu ihren Studio-Aufnahmen zu hören, möglicherweise sind sie gar keine Live-Band ?
Oder die besten Zeiten von Astbury liegen einfach schon lange zurück, die Stimme wurde bei den letzten Stücken auch zunehmend schwächer.

Fazit: die Enttäuschung, dass die alte Liebe älter geworden ist, mmh, dass die Liebe auch nicht so erwidert worden ist, stellte sich ein. Damit musste gerechnet werden - deswegen auch die Nervösität, deswegen auch die niedrige Erwartungshaltung - trotzdem schmerzt es.

A q u a r i u m

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