Kurt is dead
Es gab wenig Anlässe in den letzten 30, 40 Jahren, die ein derartiges Echo auslösten, wie die Waldheim-Affäre.
Natürlich gab es Kreisky, Zwentendorf und Hainburg. Die Waldheim-Affäre stellte aber alles vorher dagewesene in den Schatten und war in vielerlei Hinsicht ein Novum.
Erstmals wurde ein Präsident eines befreundeten Staates der USA auf die "Watchlist" gesetzt. Niemals zuvor (in der 2. Republik) polarisierte eine Person derart die Bevölkerung - Jörg Haiders Aufstieg begann witzigerweise in seiner Amtszeit - niemals zuvor gab es derart unterschiedliche Sichtweisen von Österreich und der Einschätzung der Affäre innerhalb unseres Landes - Stichwort jetzt erst recht.
Österreich wurde zu einem kleinen Naziland.
Ein Graben zog sich zwischen "linker" und "rechter" Bevölkerung und auch zwischen den Generationen.
So gab es lange Zeit Demos gegen Waldheim mit einem nachgebauten Holzpferd des Künstlers Alfred Hrdlicka.

Meine Sichtweise der Dinge damals (und teilweise bis heute noch) war eher konservativ. D.h. ich schloss mich der gängigen Meinung an, dass damals Waldheim bewusst diskredidiert werden sollte. Auch das Pferd Hrdlickas hatte für mich nicht die Symbolkraft, die es ausstrahlen sollte (man beachte die Einstiegsluke seitlich), sondern erinnerte mich eher an das berühmte trojanische Pferd.

Eine persönliche Erfahrung damals von mir war in der Arena, als ich einer befreundeten Wiener Musikband versprach, Fotos von Ihrem Auftritt zu schiessen. Sie waren Support für Kevin Coyne, der damals schon den Zenit seiner Karriere überschritten hat.
Wir sassen damals alle im Arenabeisl und Kevin Coyne tankte derart viel Alkoholika, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie dieser kleine Engländer sein Konzert bestreiten wird können.
Die Verwunderung war gross, wie Kevin Coyne sein Set meisterte. Topfit - ein alter Profi eben - spulte er seinen Auftritt ab. Hin und wieder wankte er zwar, aber sonst liess er sich nichts anmerken.
Umso mehr Aufmerksamkeit erlangte er aber, als er irgendwann eine Schimpfkanonade über Österreich und Waldheim insbesonders losliess. Wir taten dies damals als Äusserungen eines Trunkenbolds ab, es gab aber auch andere, die sich weigerten, überhaupt in Österreich spielen zu wollen. Lou Reed zum Beispiel.
Heute, zu Globalisierungszeiten und des Internets, mit 20 Jahren Abstand, ist ein abgerundetes Bild besser möglich. Wikipedia hat einen schönen, objektiven Beitrag. Bei diesem Beitrag und anderen kann die politische Sichtweise allerdings nicht verborgen bleiben. Damit ist das politische Umfeld von Waldheim auch eingegrenzt.
Auch meine Sichtweise änderte sich damit ein wenig. Viele der Vorwürfe und Ansichten von damals stimmen zwar nach wie vor. Was jetzt mehr auffällt, war seine starre Haltung in der Affäre damals, die leicht zu durchschauende Taktik seiner politischen Gegner aber auch dieses katholische Bramborium um und in Ihm.
Interessant auch die internationale Dimension, die Österreich seitdem nicht mehr erlangte und welche Emotionen noch immer hochgehen, sobald von seiner Person die Rede ist.
Die Frage bleibt, ob er Antisemit war oder nicht bzw. "ob er nur ein wenig angestreift hat". Vieles bleibt da nach wie vor dubios.